Positionspapier Mountainbike

Liebe Jägerinnen und Jäger, liebe Mitglieder der Jägervereinigung Esslingen, wie bei der Mountainbike – Informationsveranstaltung am 21. Februar 2023 angekündigt sende ich Ihnen angeschlossen das Positionspapier Mountainbike - Wegenetz, das gemeinsam von den Jägervereinigungen Esslingen, Kirchheim und Nürtingen erarbeitet wurde.

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Liebe Jägerinnen und Jäger,
liebe Mitglieder der Jägervereinigung Esslingen,

wie bei der Mountainbike – Informationsveranstaltung am 21. Februar 2023 angekündigt sende ich Ihnen angeschlossen das Positionspapier Mountainbike - Wegenetz, das gemeinsam von den Jägervereinigungen Esslingen, Kirchheim und Nürtingen erarbeitet wurde. Es wird in den nächsten Tagen an die Oberbürgermeister sowie Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Städte und Gemeinden im Landkreis Esslingen versandt. Außerdem erhalten es die Landtagsabgeordneten und die zuständigen Fachbehörden im Landratsamt Esslingen.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Dietz
Kreisjägermeister

 


 

Position
der  Jägervereinigungen im Landkreis Esslingen 
zum Projekt Mountainbike - Wegenetz im Landkreis Esslingen   

 
Seit rund 2 Jahren sind im Landkreis Esslingen Vorarbeiten zur Ausweisung eines Mountainbike – Wegenetzes (MTB ES) im Gange. Nach mehreren Gesprächsrunden und Workshops auf Landkreisebene soll nun das Projekt unter Einbeziehung der lokalen Akteure auf kommunaler Ebene geplant und umgesetzt werden.       

Die Jägervereinigungen Esslingen, Kirchheim und Nürtingen begrüssen ausdrücklich geeignete Konzepte und Massnahmen des Landkreises und der Kommunen gegen illegales Mountainbiken zu Lasten der Natur und anderer Besucher des Waldes und der offenen  Landschaft.

  1. Projektverlauf aus Sicht der Jägervereinigungen

Nachdem wir über die Waldzeit – Online – Umfrage der Forstlichen Versuchs – und Forschungsanstalt (FVA) informell Kenntnis von dem Projekt MTB ES bekamen, haben wir in der Sitzung des Jagdbeirats bei der unteren Jagdbehörde am 21.06.2022  Information und Beteiligung der Jägerschaft eingefordert. Die protokollierten Informationen von Frau Samuleit als Leiterin des Kreisforstamtes und Mitglied der Lenkungsgruppe MTB ES blieben im vagen.

Im weiteren Verlauf haben wir am 11.11.2022 an dem online durchgeführten Runden Tisch MTB ES teilgenommen. Wir waren einigermaßen überrascht vom Ansatz und der Dimension des Projekts, wie sie von der beauftragten Firma Pro-cyCL vorgestellt wurden. Als Grundlage für den Runden Tisch und die weiteren Überlegungen wurde lediglich auf eine auf die Betrachtung von Begegnungskonflikten zwischen Naturnutzern beschränkte, empirische Bestandsaufnahme der FVA verwiesen.

Am 7. und 14.12.2022 haben 4 räumlich orientierte Workshops stattgefunden, bei denen über grobe Planungsstände informiert wurde, einzelne örtliche Projekte vorgestellt wurden und bereits MTB - Routenwünsche abgefragt wurden. Diese Termine waren für berufstätige Ehrenamtliche problematisch und erschweren deren notwendige Teilhabe. An den Workshops A bis D haben Vertreter der Jägervereinigungen Esslingen, Kirchheim und Nürtingen teilgenommen. Leider gibt es bis heute (!) kein Protokoll und keine Präsentation der Workshop – Ergebnisse.

  1. Feststellungen und Bewertungen

Wenngleich die meisten Jägerinnen und Jäger die Natur auch ausserhalb des Jagdbetriebs gerne begehen und sich u.a. auf Premiumwegen erfreuen möchten, wird im Rahmen des Projekts MTB ES durch uns nicht weiter auf die inzwischen gewachsenen Konflikte zwischen fuß – und radbeweglichen Naturnutzern eingegangen. Dieser Aspekt muss jeweils mit örtlichem Bezug von den Kommunen und dem Schwäbischen Albverein (Wanderwege) berücksichtigt werden.
 
Im bisherigen Projektverlauf unterblieb bislang eine Präsentation und Diskussion über Kosten, Finanzierung und Bereitstellung von personellen und materiellen Resssourcen.
Ein kreisweites MTB – Wegenetz auf bestehenden Radwegen und bereits jetzt gesetzlich für Radfahrer zugelassenen Wegen ist unkritisch. Das Attraktivitätspotential dieses Angebots scheint aber wohl gering zu sein. Die eigentliche Attraktivität verspricht sich die Lenkungsgruppe MTB und die Firma Pro-cyCL offensichtlich durch die Einrichtung und Vernetzung so genannter „Leuchttürme“ und „örtlichen Lösungen mit Projektpartnern“ - letztendlich Single Trails. Dies wurde auch durch Äusserungen der MTB – Interessenten bei den genannten Workshops deutlich : „Mountainbiker suchen Pfade“ ; „ Quer durch den Wald muss es auch geben“. Diese Zielsetzungen und Vorstellungen bewerten wir als grundsätzlich naturunverträglich und aus der Zeit gefallen!

Der BUND Baden – Württemberg beschreibt und bewertet in seinem Positionspapier „Mountainbiking und Waldnaturschutz“ vom Mai 2021 die entsprechenden Konfliktfelder und nennt Forderungen sowie Lösungsvorschläge. Unabhängig davon, dass die Ausführungen zu Störungen und Beeinträchtigungen von Wildtieren aus unserer Sicht noch zu ergänzen sind,  tragen wir das BUND – Positionspapier in vollem Umfang mit. Der Landesnaturschutzverband (LNV) äussert sich in seinem Positionspapier „Besucherdruck in der Natur“ in gleicher Weise zu den Folgen ungeregelter Mountainbike – Strecken.
In Zeiten der Afrikanischen Schweinepest und des Waldumbaus, der aufgrund des Klimawandels erforderlich ist, ist die Jagd systemrelevant. Gerade bei dem dringend gebotenen Waldumbau wird von den Jagdausübungsberechtigten ein konsequenter Abschussvollzug beim wiederkäuenden Schalenwild (z. B. Rehwild) erwartet. Eine ständige Störung der Wildtiere durch Freizeitaktivitäten erschwert die Jagdausübung und kann zu einem verstärkten Verbiss zu Lasten der Naturverjüngung oder Kulturen führen. Dies führt letztlich zu der paradoxen Situation, dass die Bejagung und Abschusserfüllung in den betreffenden Revieren erschwert wird, aber gleichzeitig die Jagdausübungsberechtigten für die Verbissschäden zur Rechenschaft gezogen werden. Besonders bedenklich wird es, wenn Single Trails das Wild auf einen kleineren Lebensraum verdrängen, dieser einer stärkeren Verbissbelastung ausgesetzt ist und dann auch noch intensiver (Schwerpunktbejagung) bejagt werden muss.

Aus unserer Sicht müssen seitens der FVA und der Wildforschungsstelle (WFS) beim Landwirtschaftlichen Zentrum Baden – Württemberrg (LAZBW)  nachvollziehbare Grundlagen für das   Projekt MTB ES bereitgestellt werden und zur Bewertung und Genehmigung von Single Trails herangezogen werden. 

Der Flächenverbrauch und die Besiedlungsdichte sind im Landkreis Esslingen vergleichsweise hoch, zu Lasten der Land – und Forstwirtschaft und der bislang verbliebenen Naturräume, die zukünftig noch verstärkt durch Windkraftanlagen und PV – Felder zur notwendigen Sicherstellung erneuerbarer Energien belastet werden. Single Trails stellen zusätzlich eine immense Flächeninanspruchnahme in Wäldern dar, nicht allein durch die schiere Fläche der im Lauf der Zeit immer breiter ausgefahrenen Trails, sondern insbesondere durch die bei der Nutzung entstehende Störwirkung, die weit beidseitig der Strecke auf das Wild und andere Arten ausstrahlt.  

Wie Beispiele an anderen Orten zeigen, wird ein legaler, attraktiver Trail stark frequentiert sowie ganzjährig und von früh bis in die Nacht hinein genutzt werden. Das ist paradox im Hinblick auf die seit 2020 gesetzlich verordnete allgemeine Jagdruhe vom 16. Februar bis 15. April, der bisher noch keine nennenswerten flankierenden Maßnahmen wie z. B. die Ausweisung von Ruhezonen mit eingeschränktem allgemeinen Betretungsrecht und andere Lenkungsmassnahmen gefolgt sind.
Es ist zu begrüssen, daß der baden-württembergische Landtag für das Festhalten an der Zwei Meter – Regel entschieden hat. Das ist aus unserer Sicht weiterhin umso mehr begründet, als inzwischen ein grosser Teil der MTB bereits mit Motor ( E – MTB) ausgestattet ist -  Tendenz steigend in Anzahl und Leistung. Fahrerinnen und Fahrer von E- MTB sind nun zusätzlich auf körperlich anspruchsvolleren Wegen und Trails unterwegs.
Der Wald kann nicht als Sport – und Spassarena dienen, nur weil der wirtschaftlich orientierte Freizeitmarkt entsprechende Trends fördert. Es sollte in dem Zusammenhang auch zu denken geben, dass die in den 1970 und 80er Jahren errichteten Trimm – Dich – Pfade nicht zuletzt wegen der damit verbundenen Störwirkung sukzessiv abgebaut wurden.
Die untere Forstbehörde beim Landratsamt kann nach § 37 Landeswaldgesetz ( LWaldG) Ausnahmen von der Zwei Meter – Regel zulassen. Für uns kann es dabei keine generelle Ausnahmeregelung zur Legalisierung und Neuanlage von Single Trails im Rahmen des Projekts MTB ES geben. Jede einzelne Ausnahme muss unter Einbeziehung der unteren Naturschutzbehörde nachvollziehbar hergeleitet, abgewogen und begründet werden. Dabei sind auch jeweils Kriterien für die Fortführung der Ausnahme im Zuge objektiver Evaluierungen festzulegen.
Das LWaldG verlangt, dass derjenige,der den Wald betritt, sich so zu verhalten hat, dass die Lebensgemeinschaft Wald und die Bewirtschaftung des Waldes nicht gestört, der Wald nicht gefährdet, beschädigt oder verunreinigt sowie die Erholung anderer nicht beeinträchtigt wird. Das sind legitime Forderungen bei einem vergleichbar grosszügigen Betretungsrecht wie in Baden- Württemberg. Kontrolle und Sanktionierung waren bislang ungenügend, um das Anlegen von illegalen Single Trails und das  illegale Befahren des Waldes mit MTB zu unterbinden. Die Lenkungsgruppe MTB ES meint, im Rahmen des Projekts MTB ES auch weiterhin ohne Kontrollen und Sanktionierung auskommen zu können. Dabei wird angenommen, dass bei ausreichender Attraktivität des Mountainbike – Wegenetzes ES  (gemeint sind insbesondere die Single Trails) die Selbstkontrolle der Nutzer ausreichend wäre. Unsere örtlichen Erfahrungen mit legalen Single Trails entsprechen nicht denen der Behörden und sind eher,dass sich die Attraktivität eines Trails schnell relativiert und der ausgeprägte Hang zum Individualismus häufig die Selbstkontrolle überwindet. Im Umfeld von legalen Single Trails nimmt das illegale Befahren von Pfaden , Rückegassen und quer durch Waldbestände zu, wenn nur das Gelände ausreichend attraktiv ist, ebenso nehmen Ordnungswidrigkeiten mit Pkws bei An – und Abfahrt sowie beim Parken zu.
Aufgrund der Äusserungen in den genannten Workshops ist zu befürchten, dass angestrebt wird, illegale Trails zu legalisieren, um die Attraktivität des Gesamtprojekts zu erreichen. Dabei ist das Kernproblem, dass die meisten der illegalen Trails mitten durch Waldbestände führen. Und seit Bekanntwerden des Projekts MTB ES ist eine auffällige Zunahme bei der Anlage von illegalen Trails festzustellen!
 
Kontrolle und Sanktionierung müssen in der Planung des Projekts MTB ES berücksichtigt und mit den erforderlichen Ressourcen hinterlegt werden. Nicht nur das Verhalten der Nutzer, sondern insbesondere die Folgen eines Single Trails für die Natur , andere Erholungssuchende , Land – und Forstwirtschaft und örtliche Bevölkerung sind regelmässig zu evaluieren und jährlich über die Aufrechterhaltung der Ausnahmeregelung zu entscheiden. Die Objektivierung der Evaluierung muss durch standardisierte  Untersuchungskriterien sowie der Beteiligung örtlicher Vertreter verschiedener Gruppen unter Federführung des Landratsamtes Esslingen erfolgen. Die entsprechenden Grundlagen sind bereits im Rahmen der Projektarbeit MTB ES zu schaffen.

  1. Empfehlungen und Forderungen im Überblick
  • Es wird davon ausgegangen, dass das Kreisforstamt Esslingen federführend für das Projekt MTB ES verantwortlich ist.
  • Einbindung der örtlichen Jagdausübungsberechtigten in die Überlegungen und Planungen der Städte und Gemeinden (ggfs. Jagdgenossenschaften) sowie in eine standardisierte örtliche Evaluierung
  • Bereitstellung von Grundlagen für die Projektarbeit und örtlichen Planungen des MTB ES – Netzes durch FVA und Wildforschungsstelle (LAZBW). Diese Grundlagen sind dem Genehmigungsverfahren zugrunde zu legen. Die Beiträge der Fachbehörden sind zu dokumentieren.
  • Berücksichtigung des Positionspapiers „Mountainbiking und Waldnaturschutz“ des BUND BW bei der Planung , Bewertung und Festlegung von Single Trails
  • Wissenschaftliche , vergleichende  Verbissuntersuchungen in Revieren / Revierteilen            mit und ohne Single Trails durch die FVA
  • Grundsätzlich keine Legalisierung von Single Trails, die nach Mitte 2022 entstanden sind
  • Örtliche Ausgleichsmassnahmen wie z. B. Ruhezonen als jeweils verbindliche Maßnahmen bei Legalisierung und Neueinrichtung von Single Trails
  • Konzept zur Kontrolle und Sanktionierung als Teil des Gesamtkonzepts MTB ES in Planung und Durchführung. In diesem Zusammenhang sollte eine Kennzeichnungspflicht (vgl. E – Bike über 25 Km/h) geprüft werden.
  • Regelmässige standardisierte Evaluierung von Single Trails als Voraussetzung für die Fortführung der jeweiligen Ausnahme durch die verantwortliche Kreisbehörde oder als Grundlage für Sanktionierungsmassnahmen
  • Berücksichtigung von Single Trails als Jagdpacht – mindernder Umstand sowie entsprechende Anpassung der Wildschadensregelungen in den Jagdpachtverträgen
  • Jährliche Sperrung von Single Trails vom 16. Februar bis 15. April; Nutzungsverbot vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang; Sperrung während Bewegungsjagden

 
Gezeichnet
Thomas Dietz, KJM Jägervereinigung Esslingen e.V.
Dr. Martin Kohler KJM Jägervereinigung Nürtingen e.V.
German Kälberer KJM Kirchheim unter der Teck e.V.